New York City, auf der Lower East Side nachts um halb eins. Es ist ziemlich voll im “St. Jerome’s”, einer dunklen Bar in der Rivington Street, die etwa so groß ist wie ein U-Bahn-Waggon. Es gibt hier ein paar Tische, auf denen Teelichter flackern, und einen DJ, der frisiert ist wie Mr. Spock: kurz und kantig. Ganz anders als der Herr, der hinter dem Tresen steht und jetzt einen Whiskey einschenkt: Lüc Carl trägt lange, dunkle Haare, die unaufgeräumt über seine Schultern fallen, ein schwarzes T-Shirt ohne Ärmel, auf dem in weißer Pinselschrift “killed by death” steht, und einen Gürtel mit schweren Nieten, der in den 80er Jahren bestimmt einmal sehr angesagt war.
Lüc Carl hat ein leichtes Doppelkinn und schiebt einen Zahnstocher zwischen seinen Zähnen hin und her. Er redet nicht viel, er nickt seinen Gäste lieber zu: Was willst Du? Einen Jameson. Wieder Nicken: Geht klar, Mädchen. Mr. Carl ist der Manager des “St. Jerome’s”, und jeden Samstag gibt er hier den Barmann. Lüc Carl erinnert an eine Kreuzung aus Iron Maiden und Bon Jovi, er gehört nicht zwingend in die Kategorie Sexbombe. Doch die Frauen vor dem Tresen schauen ihn an, als sei er George Clooney: mit großen Augen.
Er ist hier der “local celebrity”, eine Berühmtheit auf der südöstlichen Seite Manhattans, und langsam schallt sein Ruf über den East River hinaus: Lüc Carl gilt als Sir Gaga, jedenfalls in Teilzeit. Es heißt, er sei der on-off-boyfriend von Lady Gaga. Die beiden lernten sich kennen, als Lady Gaga – damals noch Stefani Germanotta – ihr Elternhaus auf der Upper West Side verließ und auf die Lower East Side zog. In jenen Teil New Yorks, in dem es eine Menge Clubs gibt, in denen junge Künstler auftreten, die Talentsucher aus der Musikbranche anziehen – spätestens, seit Norah Jones in einem dieser Clubs entdeckt wurde. Lady Gaga wohnte damals in einem etwas ranzigen Apartment auf der Stanton Street. Sie wollte berühmt werden, und auf dem Weg zum Ruhm gab sie im “St. Jerome’s” die Gogo-Tänzerin, in einer Ecke mit erhöhtem Boden, in der sich an diesem Abend niemand bewegt.
Verlobungsgerüchte machten die Runde
Ihre Musik wird hier nicht gespielt; das St. Jerome’s ist eher ein Hort für Freunde des gepflegten Altrocks. Lüc Carls Kopf wippt im Takt von “Summer in the City”, und nun bekommt er hinter dem Tresen Verstärkung: Es erscheint eine junge Dame mit stupsiger Nase und strähnigem Haar, die mit offenem Mund Kaugummi kaut. Unablässig. Sie gestikuliert ausladend, und wann immer sie kann, berührt sie Lüc Carl. Schiebt sie sich an ihm vorbei zum Kühlschrank, streicht sie mit der linken Hand über seinen Rücken. Stehen sie zusammen an der Kasse, fasst sie ihm an den Po. Dann trinken die beiden mit einem Gast einen Schnaps, und da greift dann Lüc Carl ihr an die Taille.
Kürzlich hieß es, Lady Gaga und Mr. Carl hätten sich verlobt, als Paparazzi-Fotos der beiden erschienen, die sie weiß gekleidet an einem griechischen Strand zeigten. Doch wer Lüc Carl in seinem New Yorker Laden beobachtet, mag nicht so recht glauben, dass der sich exklusiv zu binden gedenkt. “Das einzig konstante an seiner Beziehung zu Lady Gaga ist, dass sie nicht konstant ist”, sagt jemand, der das ganz gut beurteilen kann.
Lüc Carl sagt zu dem Thema gar nichts, er hat sich und seinen Leuten im “St. Jerome’s” Sprechverbot erteilt: Hinter dem Tresen hängt ein schwarzes Telefon an der Wand, darauf ein weißer Aufkleber mit den Worten: “I’ve never heard of Lüc Carl and Lady Gaga” – so lautet die Maxime. Aber natürlich gibt es Tage, an denen der Chef nicht da ist und man doch das eine oder andere Sätzchen über Herrn Carl und Frau Gaga zu hören bekommt.
Lüc Carls Wodka-Diät
Lüc Carl pflegt eine Website namens “drunkdiet.com”, wo er darüber berichtet, wie man abnehmen kann, ohne dem Alkohol abzuschwören. Er klingt wie die Frauen, die bei Weight Watchers predigen, dass man alles essen kann, aber nicht muss: “Bevor du dir einen Topf Spaghetti kochst und dazu ein Glas Marinara aufmachst, die es nicht wert ist, gegessen zu werden”, schreibt Lüc Carl, “bereite dir lieber einen Salat und spare dir die Kalorien.” Und investiere sie in Budweiser oder Wodka! Und wenn du nicht verkatert bist, dann treibe Sport!
Auch das gehört zum Carl’schen Diätplan: Gerade hat er auf seinem Rennrad eine Wohltätigkeitstour absolviert, von Boston nach New York City; das ganze Wochenende saß er auf dem Sattel, und darum eiert Lüc Carl nun durch seinen Laden, als habe er sich eine Teppichrolle zwischen die Beine geklemmt: seltsam O-beinig. Er sage lieber nicht, wo es ihm wehtäte, stöhnt er, “aber ich kann kaum sitzen!”
Niemand verstehe so richtig, was Lady Gaga an diesem Lüc Carl finde, sagt Maureen Callahan, die als Reporterin der “New York Post” das Leben der Lady Gaga recherchiert hat; daraus entstand ein Buch, “Lady Gaga: Die Biografie”, das am 9. November in Deutschland erscheint, und laut Maureen Callahan rede Lady Gaga “andauernd von Lüc Carl. Vielleicht liegt es daran, dass sie 24 ist und der größte Popstar der Welt: Lady Gaga ist reich und berühmt, und das Wort ‘nein’ hört sie jetzt nicht mehr häufig. Vermutlich ist es reizvoll für sie, dass da dieser Mann ist, der sagt: Ich mache nicht alles mit, nur weil du du bist.”
Vielleicht repräsentiert er für sie auch das Rockstar-Dasein, nach dem Lady Gaga – damals noch Stefani Germanotta – suchte, als sie auf die Lower East Side zog. Zwar ist Lüc Carl kein berühmter Sänger, aber er gibt sich immerhin wie einer. Die Bar sei seine Bühne, sagt er. “Ich habe keinen College-Abschluss, ich weiß nicht, wie man Kaffee kocht. Bevor ich meine Haare abschneide und einen Schlips trage, öffne ich lieber bis ans Ende meiner Tage Bierflaschen.”